Mal ehrlich: Wozu braucht es überhaupt noch ein Gerichtsverfahren. Ist doch alles klar.
Bis Ende Februar 2018 war Pierin Vincenz ein weiterer Ex-Banker im Unruhestand. Er war mit Tusch und Buch und Applaus verabschiedet worden. Medien, Genossenschafter und auch Berufskollegen kriegten sich gar nicht ein vor Lob.
Was ihnen umso leichter viel, als mit seinem Abgang ein Konkurrent wegfiel, der jahrelang gezeigt hatte, wie man mit einem vergleichsweise bescheidenen Salär eine Genossenschaftsbank zur Nummer drei auf dem Finanzplatz Schweiz hochstemmt.
Statt mit Multimillionensalären seine Bank ins Elend und an den Abgrund zu führen. Um dann ohne grossen Applaus, aber mit wohlgefüllten Taschen abzuschwirren. Nachdem man globale Wichtigkeit und Aufgeblasenheit demonstriert hatte. Privatjet, natürlich die Präsidenten-Suite, heute Tokio, morgen Shanghai, dann via New York mal eine Zwischenlandung in Zürich. Alles mit dem Firmenjet, natürlich. Oder mindestens First.
Richtig Gas geben, bis die Reifen quietschen
Bei Vincenz war’s nur gelegentlich ein Helikopter, und wozu sollte ein Raiffeisen-CEO um die Welt jetten? Das war sicher einer der Gründe, wieso Vincenz sein Leitmotto, «richtig Gas geben», vielleicht etwas überreizte, auch in eigener Sache.
Wie auch immer, ab Ende Februar 2018 wurde Vincenz, der Superstar, der sympathische Bergler, gesellig, bodenständig, charismatisch, eloquent, erfolgreich, zum Buh-Banker. Zum Rotlicht-King, zum Spesenritter, zum Alleinherrscher, von niemandem kontrolliert, der ungeniert in den eigenen Sack wirtschaftete.
Seit fast drei Jahren wird dieses neue Bild festzementiert, einbetoniert, mit immer wieder neuen Enthüllungen aus angeblich mehrfach geschützten und vertraulichen Untersuchungsakten überkrustet. Welche Spesenrechnungen, welche Lokale, in denen sie entstanden, welche Luxusreisen nach Dubai und anderswohin, und dann auch noch gewerbsmässiger Betrug, Untreue, Urkundenfälschung. Unfassbar. Wie konnten wir uns mal wieder so täuschen.
Nach dreijährigem Pranger, wozu noch ein Prozess?
Eigentlich braucht es doch gar keinen Prozess mehr, wofür auch? Dreijährige Folter am öffentlichen Pranger, kein Wort mehr über seine Erfolge, nur Abscheu, Vorverurteilung, Rufmord. Aber so gerne der Staatsanwalt auch weiterermittelt und weiterermittet und weiterermittelt hätte: Es drohen die ersten Verjährungen, und wenigstens einmal in seiner langen Karriere möchte der Staatsanwalt als Sieger aus einem Wirtschaftsprozess herauslaufen.
Aber mit dem Einreichen der aufgeblähten Anklageschrift hat er die Hoheit über den weiteren Verlauf abgeben müssen. Absurderweise verlängerte er noch die Geheimhaltungspflicht bezüglich Kenntnissen aus dem Verfahren bis Ende 2020, was vom Gericht stillschweigend geduldet wurde.
Das Bezirksgericht, genauer seine 9. Abteilung unter Sebastian Aeppli, brütet nun auch schon zweieinhalb Monate über der 364-seitigen Anklageschrift, ergänzt durch 460 Ordner und Schachteln voller Sicherstellungen. In dieser Zeit hat es offenbar in erster Linie die Frage gewälzt: Wollen wir uns wirklich an diesem Fall die Finger verbrennen?
Antreten oder ausweichen, das ist die Frage
Oder juristischer formuliert: Sind wir überhaupt zuständig? Für alles und für alle Angeschuldigten? Oder sollen wir das einfach mal abstreiten? Ein Rechtsgutachten einholen? Eine Verschnaufpause würde auch die Rückweisung der Anklageschrift verschaffen. Bitte nochmal, aber kürzer, klarer, auf den Punkt.
Das wäre zwar eine erste Klatsche für den Staatsanwalt, aber das ist er sich aus anderen Prozessen gewohnt. Und da Abklärungen, Untersuchungen, Entscheidungen im Räderwerk der Justiz nicht in Wochen oder Monaten gemessen werden, sondern gerne auch in Jahren, könnte man es vielleicht doch in die Frühpensionierung schaffen und die heisse Kartoffel freundlich den Nachfolgern überlassen.
Hilft alles nichts, kann auch ein Richter mal krank werden; gerade in Zeiten von Corona und all diesen Mutationen, da kann es schnell passieren, dass der Richter leider aus gesundheitlichen Gründen den Fall abgeben muss. Was dann bedeutet, dass sich ein anderer Richter erst mal in die Materie einarbeiten muss. Und das ist angesichts dieses Aktenbergs auch keine Sache von heute auf morgen.
Auch die Verteidigung wird Gas geben
Zudem ist es durchaus möglich, dass die Verteidiger noch diese oder jene Verfahrensfrage gerne genauer angeschaut hätten. Angefangen bei der – gelinde ausgedrückt – kühnen Konstruktion via ein Bundesgerichtsurteil, damit der Staatsanwalt von einfachem, grösstenteils verjährtem Spesenbetrug zu noch nicht verjährten gewerbsmässigen Betrug hochklettern konnte.
Das Bundesgerichtsurteil bezieht sich zwar auf einen Fall von nicht weitergegebenen Retrozessionen. Und erfolgte lange nach den angeblichen Delikten von Vincenz. Da kann man sicher sein, dass der clevere Verteidiger Erni austesten wird, ob diese Konstruktion überhaupt belastbar, möglich, legal ist.
Hat das alles mit ordentlicher, unparteiischer, unbeeinflusster Rechtsprechung zu tun? Wird sich, wer auch immer, auf den Richtersessel setzen, um völlig unvoreingenommen, unter Ausblenden von all dem, was in den vergangenen Jahren die Medien an Vorverurteilungs-Skandalberichten ausgegraben haben?
Wunder soll es angeblich immer wieder geben. Aber doch sehr selten vor Gericht.
Vincenz‘ Spesenreiterei und Rotlichtaffinität werden im Prozess kaum eine Rolle spielen, sie dienen bloss dem Boulevard, um das Bild der Bankster zu bewirtschaften. Was viel mehr interessiert sind die strafrechtlichen Aspekte der bislang bekanntgewordenen Machenschaften mit Stocker. Insoweit fand eine gewisse Selbst-Vorverurteilung tatsächlich statt, indem Stocker und Vincenz die bei ihnen sichergestellten Akten versiegeln liessen – offensichtlich in der Hoffnung, die Chose in die Verjährung zu treiben. Stocker hat späte Einsicht gezeigt, zum Aergernis von Erni natürlich; denn damit wird dessen Strategie durchkreuzt. Es wird zum Prozess kommen, und wer nicht kooperiert hat, schafft ein weiteres Indiz, welches den Tatvorsatz stützt.
Aber was mich persönlich interessiert: Warum kann oder können der oder die, welche eine solche Webseite ins Netz stellen, nicht einmal mit ihrem Namen dahinterstehen? sagt doch auch einiges aus, oder nicht?
Haben Sie wenigstens den Mut, diesen doch recht harmlosen Kommentar zu publizieren?!
Also wer das liest und die Medienwelt ein wenig versteht, der stellt relativ rasch fest aus welcher Feder diese Texte kommen.
Vinzenz wird der Prozess gemacht und ich gehe davon aus, dass es sehr eng wird für ihn.
Achtung, ich mochte V. nie aber was mit ihm seit 3 j durch denn Boulevard inkl. Tagi gemacht wird, wünsche ich nicht mal meinem ärgsten Feind.
Der Autor hat recht, wenn er auf diesen Punkt aufmerksam macht.