Die Herstellung von Gerechtigkeit, zumindest Rechtsprechung, dauert und dauert.
Am Anfang einer Strafuntersuchung steht ein Anfangsverdacht. Jeder, der meint, er müsse ein Delikt melden, kann sich an den Staatsanwalt wenden. Der überprüft zunächst, ob genügend Anlass besteht, die Justizmaschinerie in Bewegung zu setzen.
Im Fall Vincenz bestand dieser Anfangsverdacht aus einer hinter seinem Rücken eingereichten Strafanzeige, die sich auf Vorgänge bezog, die damals schon knapp an der Verjährungsgrenze lagen. Die zudem von externen Gutachtern beäugt und für völlig rechtens beurteilt worden waren.
Nichtsdestotrotz wurde am 7. Dezember 2017 von einer mit der nochmaligen Untersuchung beauftragten Anwaltskanzlei auf Bitte des VR von Aduno Strafanzeige eingereicht. Sie betraf Transaktionen von 2006, 2014 und 2016. Obwohl diese Vorgänge über zehn Jahre in die Vergangenheit zurückreichten, muss es ungeheuerlich pressiert haben.
Viele Jahre später pressierte es plötzlich ungemein
Denn die Kanzlei hatte erst am 14. November den Auftrag zur externen Begutachtung bekommen. Unmöglich, dass sie den in etwas mehr als 3 Wochen zum Abschluss geführt hätte. Obwohl sie das gegenüber dem Staatsanwalt behauptete.
Erst am Tag dieses Termins wurde das VR-Mitglied Vincenz über den Vorgang informiert, um ihm pro forma Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wir sprechen also davon, dass im Dezember 2017 eine Strafuntersuchung aufgenommen wurde, die weit, weit in der Vergangenheit liegende Kauftransaktionen zum Thema hatte.
Der Staatsanwalt erreichte schnell Betriebstemperatur und war sich schon im Februar 2018 sicher, hier einen grossen Fall zu haben. Mit weiteren Ausläufern, Frontrunning, Untreue und vieles mehr; begangen von Vincenz und einer ganzen Anzahl Helfershelfer. Aber es wurde plötzlich zäh und unübersichtlich, nachdem der Staatsanwalt mit weiteren Dokumentengebirgen, diesmal von der Kanzlei im Auftrag Raiffeisens, überschüttet wurde.
Ins Gestrüpp geraten, setzte der Staatsanwalt auf einen Befreiungsschlag
Da entschloss er sich zu einer Art Befreiungsschlag. Ende Februar wurden Vincenz und sein Kompagnon und weitere Verdächtige verhaftet, die beiden Hauptbeschuldigten für mehr als 100 Tage in U-Haft aus dem verkehr gezogen, gleichzeitig grossflächig Material und Dokumente bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmt.
Nachdem der Staatsanwalt keinen Haftverlängerungsgrund mehr erfinden konnte, mussten die beiden freigelassen werden. Insgeheim hatte aber der Staatsanwalt bereits die erste Mühle, wirtschaften in den eigenen Sack, ungetreue Geschäftsbesorgung, ausser Betrieb genommen, weil sie nicht viel mehr als Feinstaub produzierte.
Wenn die erste Mühle nichts mahlt, dann halt die zweite
Er lenkte seine Energie auf ein neues Mühlwerk um: Spesenbetrug. Um nicht ausgelacht zu werden, wie er damit eine dermassen lange und erste Untersuchungshaft eines ehemaligen Bankerstars begründen könne, schüttete der Staatsanwalt noch Material nach. Es handle sich nicht einfach um Spesenbetrug, sondern um richtigen Betrug, sogar gewerbsmässigen.
Damit konnte er verhindern, dass noch weiter in der Vergangenheit liegende Spesenabrechnungen nicht der Verjährung zum Opfer fielen. Und die Mühlen in aller Ruhe weitermahlen konnten. Und wenn sie nicht gestorben sind, mahlen sie noch heute.
Fast. Viele, viele durchgeackerte Dokumente später, viele Einvernahmen später, viele Entsiegelungsverfahren später gelang dem Staatsanwalt tatsächlich, was einige Medien schon seit Jahren immer wieder als demnächst bevorstehend angekündigt hatten: ein Monsterwerk von Anklageschrift beim Zürcher Bezirksgericht einzureichen.
Aber jetzt geht es voran?
Da seither auch schon wieder einige Wochen ins Land gegangen sind, kann man davon ausgehen, dass die Justizmühlen nun nicht mehr weitermahlen, sondern zu einem Abschluss, sprich Urteil, kommen?
Im Prinzip ja. Normalerweise vergeht heutzutage zwischen Einreichung der Anklage und Gerichtstermin etwa ein Jahr. Hier handelt es sich aber um keinen Normalfall. Die Anklageschrift ist abnormal voluminös, der Hauptangeschuldigte ist ausgesprochen prominent.
Menschlich verständlich, dass sich das Bezirksgericht bislang nicht einmal zur Annahme der Anklage durchringen konnte. Denn tut es das, hat es den Fall an der Backe. Einen aufwendigen Fall. Einen Fall mit hohem öffentlichen Interesse. Einen scheisskomplizierten Fall. Einen Fall, bei dem die drakonischen Strafanträge des Staatsanwalts es dem Gericht eigentlich verunmöglichen, unter die Schwelle zu gehen, ab der bedingter Vollzug möglich ist.
Wer will sich an diesem Fall gerne die Finger verbrennen?
Es ist sonnenklar, dass der Fall, wie auch immer das Urteil lautet, anschliessend weitergezogen wird. Dabei könnte es passieren, dass das Obergericht oder allenfalls das Bundesgericht das erstinstanzliche Urteil in der Luft zerreisst. Dem allen könnte sich das Bezirksgericht Zürich entziehen, indem es sich für nicht zuständig erklärt und auf St. Gallen verweist.
Währenddessen mahlen die Mühlen unerbittlich weiter, zermalen, was vom Ruf, von der Lebensqualität, vom Lebensstandard der Hauptbeschuldigten noch übrig ist. Oder von der Unschuldsvermutung. Oder von Amts-, Untersuchungs-, Bankkunden- oder Geschäftsgeheimnis noch übrig ist.
Viel mehr, ausser, dass die Angeschuldigten subjektiv nicht nur drei Jahre, sondern dreissig Jahre älter geworden sind, ist noch nicht passiert.
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