Jeder (und jede) kann sich einer Strafuntersuchung anschliessen. Das schenkt ein.

Im Fall einer Strafuntersuchung macht der Staatsanwalt alle Arbeit selber. Das ist einer der Unterschiede zu einem Zivilprozess. Bei einem Zivilstreit müssen beide Seiten sich darum bemühen, Dokumente, Beweise zur Unterstützung ihrer Auffassung zu sammeln und so darzubieten, dass sie das Gericht davon überzeugen können.

Die Gegenpartei schuldet mir eine Million Franken, hier ist der Vertrag, den ich erfüllt habe. Die Gegenseite sagt, dass sie nicht zahlt, weil von mir die vereinbarte Leistung nicht erbracht wurde. Nach längerem Hin und Her fällt dann das Gericht ein Urteil. Wer darauf lustig ist, kann es weiterziehen und landet am Schluss am Bundesgericht in Lausanne.

Das prüft dann nicht mehr inhaltlich den Fall, sondern nur, ob allen Rechtsvorschriften genüge getan wurde. Bei einem Strafprozess ist das Vorgehen weitgehend gleich. Mit ein paar bedeutenden Unterschieden. Auf der einen Seite steht der Staatsanwalt, die Staatsgewalt, alle Behörden, die in eine Strafuntersuchung involviert sind.

Die Staatsgewalt kann ganz anders

Dieser Staatsanwalt hat viel weitreichendere Macht als ein Zivilkläger. Er kann beschlagnahmen, in U-Haft setzen, Zeugen unter Eid befragen, Durchsuchungen anordnen. Er kann sich für die Untersuchung so viel Zeit lassen, wie er lustig ist. Und er kann nicht nur die Herausgabe von unrechtmässig erworbenem Vermögen verlangen, sondern auch einen Strafantrag stellen.

Im aktuellen Fall drakonische sechs Jahre Gefängnis für Pierin Vincenz und seinen Kompagnon. Für alle, die sich geschädigt sehen, gibt es die Möglichkeit, sozusagen auf der Zuschauertribüne Platz zu nehmen. Nicht erst beim Prozess, sondern von Anfang an.

Dafür müssen sie sich nur zu Privatklägern ernennen. Im Fall Vincenz gibt es gleich vier davon. Die Viseca Holding und Payment Services AG, die cashgate AG, alle drei praktischerweise vom gleichen Anwalt vertreten, und die Raiffeisen Schweiz Genossenschaft. Die füttert mit diesem Fall eine grosse Zürcher Anwaltskanzlei durch.

Wissen ist Macht. Besonders in einer Strafuntersuchung

Neben der Füllung der Kasse von Anwälten, was hat so eine Stellung als Privatkläger sonst noch für Vorteile? Einen ganz wesentlichen: Man wird über den Fortgang der Strafuntersuchung kontinuierlich informiert. Man weiss also genau, woran der Staatsanwalt gerade arbeitet. Da kann man ihm gerne mit eigenen Kräften unterstützen.

Natürlich nicht offiziell, aber hier ein Tipp, dort das Resultat einer Untersuchung von gigabyteschweren Unterlagen, das kann doch helfen. Aber noch entscheidender ist, dass man dieses Wissen auch anderweitig verwenden kann.

Jetzt wird es im wahrsten Sinne des Wortes juristisch etwas heikel. Daher abstrahieren wir das konkrete Beispiel. Nicht nur in diesem Fall, aber bedingt auch durch die lange Dauer der Strafuntersuchung, bekam die Öffentlichkeit immer wieder neue Informationen serviert, die nur aus Quellen stammen können, die in die Strafuntersuchung involviert sind. Das ist sonnenklar, wenn man nicht annimmt, dass gelegentlich ein Windstoss Papiere vom Tisch des Staatsanwalts auf die Strasse fliegen lässt, wo sie zufällig von einem Journalisten gefunden werden.

Wer hat etwas vom Durchstechen von Untersuchungsresultaten?

In die Strafuntersuchung sind logischerweise der Staatsanwalt, die Staatsanwaltschaft, teilweise die Polizei, die Angeschuldigten – und die Privatkläger involviert. Bei den rechtswidrig durchgestochenen Untersuchungsergebnissen handelt es sich ausschliesslich um Dokumente oder Erkenntnisse, die negativ für die Angeschuldigten sind.

Spesenabrechnungen, detaillierte Aufzählungen, wo sie entstanden sind, genaue Darstellungen von Geschäftsabschlüssen, die Vincenz im Auftrag von Raiffeisen tätigte. Plus die ewig wiederholte Ankündigung, dass die Untersuchung nun aber demnächst abgeschlossen sei. Und, dass der Staatsanwalt die Zielrichtung geändert habe, von ungetreuer Geschäftsbesorgung auf Spesenbetrug.

Dass schliesslich die Angeschuldigten in Verhandlungen über einen Deal mit der Staatsanwaltschaft seien, weil sie sich die Peinlichkeit eines öffentlichen Prozesses ersparen wollten.

Mit logischen Schritten im Ausschlussverfahren

Mit der einfach-logischen Frage «cui bono», wem nützt das, kann man schon mal eine involvierte Partei sicher ausschliessen. Keinem der Angeschuldigten, auch nicht ihren Anwälten, könnten diese Durchstechereien etwas nützen. Im Gegenteil, sie schaden gewaltig. Also ist diese Partei schon mal draussen.

Bleiben die Untersuchungsbehörden und die Privatkläger. Es ist statthaft anzunehmen, dass die Staatsanwaltschaft daran interessiert ist, ihre unermüdliche und fleissige Arbeit ins beste Licht zu stellen, darauf hinzuweisen, dass legale, aber ärgerliche Verzögerungen nicht von ihr verschuldet sind, sondern durch Versiegelungsanträge bezüglich bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmter Dokumente. Zudem, dass die Untersuchung demnächst abgeschlossen sei und dass sich da eine kleine Veränderung bei den vermuteten Delikten ergeben habe.

Immer die gleichen Adressaten

Aber es wäre unerhört, es ist auch kein Präzedenzfall bekannt, dass aus dem Inneren der Staatsanwaltschaft strikt vertrauliche, mehrfach geschützte Unterlagen oder Erkenntnisse an die Öffentlichkeit, beziehungsweise die Medien durchsickerten.

In diesem Fall kommt noch hinzu, dass im Wesentlichen zwei Journalisten immer wieder mit Primeurs auffielen, aufgrund von Dokumenten, die ihnen offensichtlich zugespielt wurden. Da bleibt dann die Frage, wer als möglicher Täter übrigbleibt. Die hier aus juristischen Gründen nicht beantwortet werden kann.

 

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