Was tut man nur in der langen Pause bis zum Prozess?

Drei Jahre lang delektierten sich die Medien an immer wieder neuen «Enthüllungen» in der Affäre Vincenz. Sie trauten sich sogar, gelegentlich zu schreiben, dass das Ergebnisse eigener Recherchen und Nachforschungen seien.

Das war brandschwarz gelogen. Sie kolportierten lediglich ihnen durchgestochene Untersuchungsunterlagen oder Gerüchte, die an sie herangetragen wurden. Über die Dauer der Untersuchung, über die angeblich luxuriöse Zelle von Vincenz, über angebliche Verhandlungen mit dem Staatsanwalt, den Fall durch einen Deal zu erledigen.

Alles ohne Hintergrund, ohne Zusammenhang, oft auch ohne Wahrheitsgehalt. Aber inzwischen ist die sehr dicke Anklageschrift eingereicht. Da sie schneller bei den Medien als bei den Angeschuldigten war, ist sie bereits ausgeweidet, alles Fleisch am Knochen abgeknabbert, alle Enthüllungen enthüllt.

Vorläufig letztes Aufschäumen der Heuchler

Das sorgte nochmal für ein Aufschäumen aller Heuchler, wie man nur solche Spesen verursachen könne, da seien sechs Jahre Knast, wie vom Staatsanwalt gefordert, ja wohl noch das Minimum. Plus die Rückzahlung von insgesamt 25 Millionen; das hat Vincenz doch sicher nicht verdient.

Aber die Medien sahen es kommen: Corona – plus ein Fall, der bis in die letzte Spesenabrechnung bereits breitgetreten wurde, das gibt irgendwann nichts mehr her. Der Staatsanwalt kann sich vorläufig auch zurücklehnen, er hat endlich geliefert. Nun liegt’s beim und am Gericht, wann der nächste Akt in dieser Tragödie geschrieben wird.

Da der Staatsanwalt nicht nur eine Riesenanklageschrift, sondern scheint’s auch

«460 Ordner und 48 Schachteln Sicherstellungen»,

darin wohl ein paar Gigabyte, eingereicht habe, braucht das Gericht Zeit, um sich durchzukämpfen. So zitiert zumindest «Inside Paradeplatz» aus einer Eingabe des «zuständigen Bezirksrichters» ans Obergericht.

Der Prozess wird wohl im Herbst 2021 stattfinden

Interessant, dass auch solcher Schriftverkehr inzwischen öffentlich begutachtet werden kann. Auf jeden Fall, das ist allerdings völlig überraschungsfrei für Kenner der Sachlage, wird der Prozess wohl im Herbst 2021 stattfinden. So rund ein Jahr Verweildauer ist vor allem bei komplizierten Kisten völlig normal.

Dass das noch keine News ist, weiss auch das Finanzportal. Also legt es noch nach. Denn von Anfang an gibt es in dieser vermurksten Affäre ein Problem. Eine der offenbar am besten dokumentierten angeblichen Missetaten fand 2006 statt. Der damalige Ankauf von Commtrain wurde zwar schon mehrfach von sehr bekannten Aktienrechtlern untersucht. Und für koscher befunden.

Nichtsdestotrotz ist Vincenz auch hier des Betrugs angeklagt. Er soll versteckt an Commtrain beteiligt gewesen sein, während er als Angestellter von Raiffeisen eben diese Firma kaufte. Ob das nur unanständig war oder strafbar, das muss sich erst noch herausstellen.

Kitzliges Problem Verjährung

Vorher aber gibt es ein viel kitzligeres Problem. Die Verjährung. Die meisten Untaten verjähren irgendwann in der Schweiz. Ob das richtig oder falsch ist, soll hier nicht diskutiert werden. In diesem Fall liegt die absolute Verjährung bei 15 Jahren.

2006, 2021, das sind 15 Jahre. Der damalige Vertrag wurde im August 2006 unterzeichnet. Das könnte also bereits verjährt sein, wenn der Prozess im Herbst beginnen sollte. Allerdings, wozu gibt es spitzfindige Anwälte. Denn wenn ein etwas grösseres Gebilde gekauft wird, gibt es zuerst das Signing. Also die Unterschrift im Vertrag. Nun erst kann der Käufer nachschauen, ob ihm wirklich das gehört, was man ihm angepriesen hat. Daher dauert es bis zum sogenannten Closing, also der eigentlichen Abwicklung, durchaus ein paar Monate.

Daraus erhebt sich die Frage, ob man das Signing oder das Closing als Beginn der Verjährungsuhr nimmt. Wie auch immer das Gericht entscheiden wird, schon hier ist genügend Spielfeld für weitere Kampfhandlungen und Nebenschauplätze. Was es der Staatsanwaltschaft noch schwerer machen wird, ihre Anklagepunkte zu beweisen.

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