Aufwand und Ertrag: so wird gerechnet. Normalerweise.
Pierin Vincenz wird bekanntlich vorgeworfen, 250’000 Franken nicht für Geschäftszwecke als Spesen verjubelt zu haben. Ihm und seinem Kompagnon wird vorgeworfen, sich unrechtmässig an Transaktionen bereichert zu haben, die Vincenz im Auftrag seines Arbeitgebers ausführte, aber verdeckt auch auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sass.
Natürlich sind das happige Vorwürfe. Das wäre Spesenbetrug, das wäre ungetreue Geschäftsbesorgung. Wäre. Denn zuerst muss das der Staatsanwalt noch vor Gericht glaubhaft machen, beweisen, über jeden vernünftigen Zweifel hinaus, denn sonst gilt das Gesetz: Im Zweifel für den Angeklagten.
Aber bis dahin ist es noch weit. Jetzt schon kann man einiges über die Kosten sagen, die durch die Affäre entstanden sind.
Drei Jahre aufwendige Untersuchung der Staatsanwaltschaft
Da hätten wir die Untersuchungskosten der Staatsanwaltschaft. Fast drei Jahre, Gigabyte von Dokumenten und Zahlen wurden durchgesiebt, Einvernahmen, Erstellung einer gigantisch langen Anklageschrift. Natürlich gibt die Staatsanwaltschaft keine Zahlen bekannt, gehört zum Amtsgeheimnis. Und der Steuerzahler muss ja bluten, also interessiert das keinen Beamten.
Es ist aber klar, dass wir hier von einer siebenstelligen Zahl sprechen müssen, und zuvorderst steht keine eins. Aber das sind noch die geringsten Kosten dieser unendlichen Affäre. Richtig ins dicke Tuch geht es natürlich, wenn ein externer Prüfer ans Gerät geht. Das ist normalerweise ein Fachkoryphäe oder gleich eine darauf spezialisierte Anwaltskanzlei.
Externe Gutachter und Gutachten kosten ein Gewehr
Zunächst hat Vincenz selbst, als es erstes Gemurmel gab, dass es bei einigen Akquisitionen nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, gleich zwei Gutachten in Auftrag gegegebn. Und wenn der Doyen des Aktienrechts, Prof. Dr. Forstmoser, in die Tasten greift, wird das nicht billig.
Handelsüblich wird in solchen Fällen eine Pauschale vereinbart, basierend auf einer Schätzung des Aufwands. Normalerweise wechselt da eine Million den Besitzer. Vorauskasse, versteht sich.
Noch teurer wird es, wenn man das macht, was Aduno und Raiffeisen gemacht haben. Ein weiteres Mal von einer grossen Anwaltskanzlei die Vergangenheit umpflügen lassen. Bei Aduno ging das allerdings holterdipolter. Wenige Wochen nach Start musste die Kanzlei bereits gegenüber der Staatsanwaltschaft behaupten, die Untersuchung sei so gut wie abgeschlossen, und es gebe genügend Anlass für einen Anfangsverdacht.
Stundenansatz von 800 Franken ist handelsüblich
Nachher wurde natürlich munter weiter untersucht. Nun stellen solche Anwälte ungern weniger als 800 Fr. in Rechnung. Pro Stunde, versteht sich. Und wer will schon nachweisen, dass die 48,5 Stunden vertieftes Aktenstudium nicht vom Anwalt, sondern von einem schlecht bezahlten Praktikanten aufgeworfen wurden, der seinem Chef eine handliche Zusammenfassung lieferte.
Auch hier ist eine Anzahlung von mindestens einer Million handelsüblich; kann aber auch mehr sein. Diese Anzahlung hat noch einen weiteren Zweck. Damit wird sichergestellt, dass die Ergebnisse der Untersuchung – sollten sie nicht genehm sein – im Giftschrank verschwinden und niemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken.
Aber das kommt eher selten vor; der Gutachter oder die mit der Untersuchung beauftragte Kanzlei wissen natürlich, welche Resultate der Auftraggeber sehen will. Die erzielt der parteiische Fachmann natürlich, er will ja nicht das letzte Mal angefragt worden sein.
Nur selten gibt es ganz schwierige Fälle
Nur in ganz schwierigen Fällen, wenn den Untersuchern nichts einfällt, wie sie um einen riesigen Elefanten im Raum herumschauen können, gibt es schon während der laufenden Untersuchung einen Krisengipfel.
Wurde die Untersuchung und das wahrscheinliche Ergebnis schon öffentlich angekündigt, wird’s dann natürlich etwas eng. Letztes und schönstes Beispiel ist Wirecard. Als sich die Testierung des Geschäftsberichts für 2019 immer weiter hinauszögerte, weil diesmal EY nicht mehr bereit war, Ruf und Stempel für eine Luftbuchungsbilanz zu riskieren, versuchte die Führungscrew von Wirecard, das als völlig normal hinzustellen. Weltweit, kompliziert, grosse Summen, noch kleine Abgrenzungsprobleme, nichts Ernstes.
Der Anfang vom Ende. Aber kostspielig. Genau so, wie die diversen Untersuchungen, Nachuntersuchungen und Nachnachuntersuchungen. Auf Kosten von Raiffeisen, versteht sich. Aber da es dm aktuellen Führungsduo darum geht, die Affäre Vincenz mit einem Sieg zu beenden, spielen auch hier die Kosten keine Rolle. Die Genossenschafter zahlen ja.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!