Vorne wird das Stück «Vincenz, der Rotlichtbanker» gegeben. Aber hinter den Kulissen spielt die Musik.

Nach drei Jahren ist im öffentlichen Bewusstsein einbetoniert: Was für ein Schlawiner, dieser Vincenz. Hat in den eigenen Sack gewirtschaftet, damit Raiffeisen Millionenschäden zugefügt.

Und als ob das noch nicht genug wäre: seine Spesen erst. Turmhoch und in zweifelhaften Lokalitäten verursacht, wo sicherlich keine geschäftlichen Gründe angeführt werden können. Wenn man das gewusst hätte, als er noch der strahlende Siegerbanker war.

Führte die Raiffeisengruppe zur Nummer drei hinter den beiden Grossbanken. Während die überall ins Fettnäpfchen traten, Bankgeheimnis, Ruf und fast ihre Existenz verspielten, dem Bankenplatz Schweiz Milliardenbussen einbrockten, segelte Raiffeisen unter Vincenz unbeschädigt durch alle Stürme.

Unbeschädigt und gewinnbringend; selbst der Nachfolger von Vincenz konnte in seinem letzten Amtsjahr das beste Resultat von Raiffeisen Schweiz aller Zeiten verkünden. Nicht zuletzt deswegen wurde er dann mit einer üblen Intrige vom Hof gejagt.

Bombe mit Zündschnur

Ausserdem interessierte das damals kaum jemanden; gerade war die Bombe geplatzt, dass Pierin Vincenz und sein Kompagnon ins Gefängnis geworfen worden waren. U-Haft, da muss doch was Schlimmes passiert sein, wie konnte man sich in Vincenz nur so täuschen.

Das ist die offizielle Erzählung, das Narrativ, das Framing. Vincenz und ein paar wenige Komplizen verübten eine Unzahl von Delikten, taten Unrecht, waren unanständig, geldgierig, verwechselten Geschlechtskosten mit Geschäftskosten, kannten kein Halten.

Dieses Stück wurde drei Jahre lang gegeben, immer mit kleinen Variationen, damit das Publikum sich nicht langweilt. Dann noch als vorläufiger Höhepunkt das Crescendo der Anklageschrift, sofort an die Medien durchgestochen. Einhellige Meinung: was, nur sechs Jahre Knast dafür? Den sollte man doch einfach wegsperren und den Schlüssel wegwerfen.

Vor der Kulisse die Show, dahinter der Ernst

Hinter dieser Pappkulisse spielt sich aber das wahre Drama ab. Es besteht aus zwei Akten, aus zwei Schauplätzen. Vorne tanzen die Mäuse, hinten die Elefanten.

Der erste Schauplatz: 16 Jahre lang solche Spesen eingereicht, die kontrolliert, visiert, autorisiert wurden. Und keiner hat gefragt, welcher Geschäftszweck denn mit einem Besuch eine Stripclubs und einer ansehnlichen Rechnung von 8000 Franken verbunden war? Sogar der VR-Präsident und HSG-Professor, der Unternehmensführung lehrt, zeichnete solche Spesen einfach ab?

Und innerhalb wie ausserhalb von Raiffeisen gab es keinerlei funktionierende Kontrolle? War es nicht so, dass Vincenz alle seine angeblich so selbstherrlichen Entscheidungen immer von allen zuständigen Stellen absegnen liess? War es nicht so, dass er sogar mehrere Gutachten in Auftrag gab, von renommierten Autoren, die alle bestätigten, dass bei allen Transaktionen vielleicht nicht immer alle Anstandsregeln eingehalten wurden, aber auf jeden Fall nichts strafrechtlich Relevantes passiert sei?

War es nicht so, dass auch die externe Prüfgesellschaft alles in Ordnung befand und abstempelte? War es nicht so, dass zu seinem Abschied noch ein Jubelbuch in Auftrag gegeben und veröffentlicht wurde, über den grossen Pierin Vincenz? Wieso taucht dann kein einziger Mitangeschuldigter aus der Teppichetage von Raiffeisen in der Anklage auf?

Alles für gut befunden, dann doch nicht

Der zweite Schauplatz: warum beauftragte die Firma Aduna insgeheim eine Anwaltskanzlei damit, teilweise viele Jahre zurückliegende Transaktionen unter Beteiligung von Vincenz nochmal unter die Lupe zu nehmen? Nachdem man sich zuvor mit den Gutachten zufriedengegeben hatte?

Warum reichte diese Anwaltskanzlei, nach kurzer und noch gar nicht abgeschlossener Untersuchung holterdipolter eine Strafanzeige gegen Vincenz ein? Anfangsverdacht: ungetreue Geschäftsführung?

Warum entschied sich der Staatsanwalt, nachdem er diesen Anfangsverdacht nicht untermauern konnte, statt Einstellung den Grossangriff zu wagen, mit U-Haft, Skandal und allen Schikanen?

Es geht nicht um Peanuts, sondern um über 100 Millionen

Könnte das etwas damit zu tun haben, dass die Spesenabrechnungen zwar stossend sind, aber über 16 Jahre hinweg vom Betrag her Peanuts? Während zwischen Aduno, Raiffeisen auf der einen Seite und Vincenz und Kompagnon auf der anderen Seite über mehr als 100 Millionen Franken gestritten wird?

Könnte es nicht sein, dass aus all diesen Gründen (und einigen mehr) vor allem den Nachfolgern an der Raiffeisenspitze es sehr zupass kommt, dass Energie und Zeit und Geld von Vincenz in diesem Strafverfahren absorbiert sind, sein Ruf schlechter nicht sein könnte, was alles auf den wirklichen Kampffeldern nützt?

Deshalb wird das Stück vor der Kulisse nur zur Ablenkung von Publikum, Medien und Strafverfolgungsbehörden aufgeführt. Aber dahinter geht wirklich die Post ab.

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