Ein erfolgshungriger Staatsanwalt will ein letztes Zeichen setzen.

Niemand kennt die Spesenabrechnungen der C-Etage in den beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse. Ihr Einkommen muss zwar offengelegt werden, verschwindet aber hinter einem Vorhang von Bonusprogrammen, aufgeschobenen, fixierten und Extraextraboni.

Nur als Brady Dougan dafür, dass er seinen Beitrag leistete, die CS-Aktionäre zu schröpfen und die Bank fast gegen die Wand zu fahren, im Jahr 2010 insgesamt 90 Millionen Franken kassierte, gab es einen leisen Aufschrei.

Markige Politikerworte, dass das so nicht weitergehen könne. Seither geht es weiter. Ungeniert, skrupellos, geldgierig. Während die Aktienkurse der beiden Grossbanken immer neue Rekorde aufstellen, allerdings im Negativen, bleiben die Saläre wie in Stein gemeisselt.

Die Spesenabrechnungen des gefallenen Starbankers kennt man im Detail

Niemand kennt die Spesenabrechnungen in der C-Etage der drittgrössten Bank der Schweiz. Mit einer Ausnahme. Was der gefallene Superstar von Raiffeisen in 16 Jahren abrechnete, kennt man im Detail. Rund 250’000 Franken soll er in feuchtfröhlichen Runden in Etablissements ausgegeben haben, wo man unter fleischlichen Genüssen kein T-Bone-Steak versteht.

Das wären pro Monat rund 1300 Franken. Ein Betrag, bei dem die Versageretage der beiden Grossbanken sagen würde: Ach, und für solche Peanuts muss die Sekretärin ein Spesenformular ausfüllen?

Nun macht ein Unrecht ein anderes nicht zu einem minderen Unrecht oder gar entschuldbar. Sollten sich die Delikte beweisen lassen, die der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift behauptet, hat Pierin Vincenz natürlich Strafe verdient. Aber gleich sechs Jahre?

Das Pech trägt hier einen Namen

Dass es überhaupt zu einer Strafuntersuchung kam, zu U-Haft und Hausdurchsuchungen, zu dreijährigen Ermittlungen, während denen die Medien ständig mit Interna angefütter wurden, während denen der vorher makellose Ruf von Vincenz unrettbar zerstört wurde: all das trägt einen Namen.

Den Namen des ermittelnden und nun anklagenden Staatsanwalts. Zu Marc Jean-Richard-dit-Bressels Aufgaben als Staatsanwalt für Wirtschaftsfälle gehört es selbstverständlich, nach einem Anfangsverdacht Ermittlungen aufzunehmen. Und wieder einzustellen, wenn er sich nicht erhärten lässt.

Zu seinen Aufgaben gehört es nicht unbedingt, stattdessen die Flucht nach vorne anzutreten, zu verhaften, zwei Unschuldige wochenlang in U-Haft schmoren zu lassen – und währenddessen die Richtung der Ermittlungen total zu verändern. Von ungetreuer Geschäftsführung auf Spesenbetrug, aufgepumpt zu gewerbsmässigem Betrug, Urkundenfälschung und Veruntreuung.

Von Niederlage zu Niederlage – gegen den gleichen Strafverteidiger

Auch das macht mögliche Delikte nicht kleiner oder ungeschehen. Aber hier kommt noch Pech dazu. Das Pech, dass der leicht zerstreute, leicht den Überblick verlierende singende Staatsanwalt schon zwei Mal gegen den gleichen Verteidiger schmerzliche Niederlagen einstecken musste.

Einmal redete er sich in einem Interview um Kopf und Kragen und wurde dann – sehr selten in Zürich – wegen Befangenheit von der Anklage abgezogen. 1 zu 0 für Lorenz Erni. Dann musste sich der Staatsanwalt – Höchststrafe – vom Richter sagen lassen, dass er diesen Fall gar nicht bis zur Anklage hätte weiterziehen sollen. 2 zu 0 für Erni.

Nun ist Marc Richard, wie er der Einfachheit halber genannt wird, bereits 57 Jahre alt und hat noch keine einzige Trophäe in seinem tristen Büro hängen. Also will er es nochmal wissen und tritt zum dritten Mal gegen Erni an. Immerhin scheint er ansatzwweise lernfähig und antwortet CH Media auf eine Gesprächsanfrage: «Ich will mich auf gar keinen Fall auf Kosten der Verfahrensparteien öffentlich in Szene setzen.»

Wer setzt sich hier öffentlich in Szene?

Aber schon mit diesem Satz setzt er sich mehr in Szene als die Angeschuldigten, denen er – im Übrigen rechtswidrig – einen Maulkorb in Form einer Geheimhaltungsverfügung umhängte. Die sogar bis Ende Jahr, also noch nach der Abgabe von Fall und Rechtshoheit an das Bezirksgericht, gelten soll.

Zu viel Bescheidenheit. Schon seine Pressemitteilung bei der Einreichung der überdicken Anklageschrift (364 Seiten!) sorgte für Hallo. Ganz zu schweigen vom Riesengebrüll, als sie schneller als zu den Angeschuldigten in die Hände der Medien geriet. Wie zuvor vieles, auch seine ewigen Ankündigungen, dass die Untersuchugung aber demnäcst abgeschlossen sei, nur von fiesen Verzögerungstaktiken der Verteidigung in die Länge gezogen werde.

Karriere wenigstens mit einem einzigen Sieg beenden

Dass die aus der völlig üblichen und angebrachten Versiegelung von bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmten Akten bestand, um eine Fishing Expedition zu vermeiden, das wurde öffentlich nur sehr leise erwähnt. Auf jeden Fall hielt es der öffentlichkeitsscheue Staatsanwalt nie für nötig, eine Strafanzeige wegen wiederholtem Bruch der Vertraulichkeit der Untersuchung einzureichen. Was das Bezirksgericht sofort tat, als es die Verhandlungsführung übernahm.

Nun geht es also dem Staatsanwalt darum, seine Karriere nicht mit einem 0 zu 3 zu beenden. Dass dabei das Leben von zwei nach wie vor Unschuldigen ruiniert wurde, Millioenkosten entstanden, nur sehr selektiv untersucht und angeklagt wurde – was soll’s. Man hat halt auch mal Pech im Leben.

Allerdings: Die Anwendung der Staatsgewalt in jeder Form sollte nichts mit Glück oder Pech zu tun haben. In einem funktionierenden Rechtsstaat.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.