Seit Dezember 2017 ist nichts Endgültiges passiert. Eigentlich.
Im Dezember 2017 reichte eine Firma via externe Anwälte eine Strafanzeige gegen Pierin Vincenz und andere ein.
Daraus entwickelte sich der wohl grösste Justizskandal der jüngeren Geschichte der Schweiz. Denn diese Strafanzeige, geboren aus einer externen Untersuchung verschiedener geschäftlicher Transaktionen, die seit lediglich ein paar Wochen unterwegs war, reichte einem erfolgshungrigen Staatsanwalt als Anfangsverdacht.
Und mit einem Anfangsverdacht darf er eine Strafuntersuchung in Bewegung setzen. Er dürfte sie auch wieder einstellen, wenn sich, wie oft, der Anfangsverdacht nicht erhärten lässt. Was hier der Fall war.
Aber dieser Strafverfolger hatte in juristischen Fachzeitschriften geäussert, dass ein cleverer Staatsanwalt – sollte er ein erstes, vermutetes Delikt nicht gerichtsfest machen können – doch einfach ein minderes, aber leichter zu beweisendes Delikt aus dem Hut zaubert. Also hielt er sich an seinen Ratschlag und ersetzte ungetreue Geschäftsbesorgung durch Spesenbetrug.
Darüber verging die Zeit, darüber wurden Gigabyte von Akten gewälzt. Um nicht völlig der Lächerlichkeit anheim zu fallen, liess der Staatsanwalt über ihm wohlgesinnte Medien eins ums andere Mal verbreiten, dass die Untersuchung eigentlich sehr weit fortgeschritten sei. Im Prinzip beendet, nur noch ein paar letzte Einvernahmen. Aber dann werde die Anklageschrift endlich bei Gericht eingereicht.
Das sagte der Staatsanwalt 2018. Und 2019. Und fast das ganze 2020 hindurch. Hilfsweise wurde noch angeführt, dass die Angeschuldigten doch frecherweise die Versiegelung der bei ihnen beschlagnahmten Unterlagen verlangt hätten. Das ist zwar ihr gutes und absehbares Recht, aber das zögere natürlich die Untersuchung unnötig weiter hinaus.
Aber auch die längste Strafermittlung kommt mal zu ihrem Ende. Aber nur sehr, sehr selten gebiert sie eine 364-seitige Strafanzeige. Swissair, Behring, auch diese Fälle zogen sich und zogen sich, aber niemals wäre die Staatsanwaltschaft auf die Idee gekommen, das Gericht mit einer solch fabulös dicken Anklageschrift – von Gigabyte Beilagen ganz zu schweigen – zu belästigen.
Wie sagte Karl Lagerfeld so richtig: Wer eine Trainingshose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Wer eine solche Anklage einreicht, hat die Kontrolle über den Fall verloren. Das will der Staatsanwalt aber damit überspielen, dass er drakonische Strafen von je 6 Jahren für die beiden Hauptbeschuldigten fordert. Mitsamt der Rückgabe von insgesamt 24 Millionen Franken.
Fordern ist einfach. Die Forderung beweisen, das ist die Kunst. Und da gilt seit Dezember 2017, also seit fast drei Jahren: bewiesen ist überhaupt nichts. Nur behauptet ist worden. Kaum eine Frage ist zwischendurch beantwortet worden. Viele Fragen wurden erst gar nicht gestellt.
Nur zwei Tatsachen sind bislang unbestreitbar. Bislang hat sich erwiesenermassen nur der Finanzblog «Inside Paradeplatz» strafbar gemacht. Mit der Veröffentlichung von Kontobewegungen von Vincenz. Der ist ansonsten heute so unschuldig, wie er es Anfang Dezember 2017 war. Dagegen spricht nur die zweite Tatsache: dass sein Ruf inzwischen endgültig, vollständig und nicht reparabel ruiniert ist.
Schuldig durch Anschuldigungen. Eine Schande für jeden Rechtsstaat.
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