Dass die Bundesanwaltschaft ein Haufen von Versagern ist, ist peinlich im In- und Ausland bekannt. Aber wie steht es eigentlich mit den Staatsanwälten im Allgemeinen?

Staatsanwälte in der Schweiz haben Macht. Sehr viel Macht. Unkontrollierte Macht. Eigentlich ein Unding in einem Rechtsstaat.

Das fängt damit an, dass sie gleichzeitig Strafverfolger und Richter sein können. Auch im angelsächsischen Recht kennt man den sogenannten «Plea Bargain». Über 85 Prozent aller Verfahren enden so.

Es ist ein Deal. Die Staatsanwaltschaft zeigt ihre Ermittlungsergebnisse, droht mit einem langwierigen Prozess und einer drakonischen Strafe. Ausser, der Angeschuldigte bekennt sich in einem minderen Delikt schuldig, weiss, was auf ihn zukommt (meistens eine Geldstrafe, manchmal bedingt, eher selten unbedingt, aber deutlich weniger als bei einem Gerichtsurteil drohen könnte).

Sinn der Sache ist, die Gerichte zu entlasten. Dieses Prinzip des Deals hat auch in vielen europäischen Staaten Einzug gehalten. In der Schweiz, zumindest im Kanton Zürich, kennt man es schon seit 1919. Ab 2011 wurde es national eingeführt. Es trägt den harmlosen Namen «Strafbefehl».

Ohne Verfahren, ohne Begründung

Das bedeutet, dass der Staatsanwalt – mit Einverständnis des Beschuldigten – ohne Begründung, ohne Verfahren eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten, happige Geldstrafen und Bussen aussprechen kann. Sowie unbegrenzt Vermögenswerte einziehen.

Der Beschuldigte verzichtet ausdrücklich darauf, dagegen vor Gericht vorzugehen. Sein Vorteil ist auch in der Schweiz, dass er sich einen – womöglich öffentlichen – Prozess, zusätzliche Kosten für seine Verteidigung und eine drakonischere Strafe erspart.

Allerdings: In den USA muss eine solche Vereinbarung noch von einem Richter abgesegnet werden. Der stimmt ihr normalerweise zu. Aber, kommt auch vor, er kann den Plea Bargain auch zurückweisen. In der Schweiz beurteilt niemand, ob der Staatsanwalt richtig oder fraglich gehandelt hat.

«Inquisitorisches Schnellverurteilungsverfahren»

Es geht sogar noch weiter. Ursprünglich war der Strafbefehl für Bagatelldelikte gedacht. Also Ladendiebstahl, kleine Sachbeschädigung. In der üblichen Salamitaktik gehören heute aber auch so schwere Delikte wie schwere Körperverletzung, fahrlässige Tötung oder Menschenhandel in die Befugnis des Staatsanwalts. Immer dann, wenn er eine Strafe von höchstens sechs Monaten für ausreichend hält.

Nicht ohne Grund spricht der emeritierte Strafrechtsprofessor Franz Riklin von einem «inquisitorischen Schnellverurteilungsverfahren». Denn auch die einzige Möglichkeit, sich nachträglich gegen den Strafbefehl zu wehren, besteht darin, dass die Einsprache – an den Staatsanwalt geht.

Aber das ist erst der Anfang der Machtfülle. In der Affäre Vincenz konnte der Staatsanwalt so lange untersuchen, wie er wollte. Niemand kann ihn zu einer Beschleunigung verpflichten, nicht einmal nach drei Jahren.

Eine einzigartige Machtfülle

Der Staatsanwalt kann zudem unbescholtene Staatsbürger verhaften lassen. Und dann beim Haftrichter Untersuchungs-Haft beantragen. Was der normalerweise ohne zu zögern durchwinkt. Dagegen kann zwar Einsprache erhoben werden. Die aber meistens erst dann rechtsgültig erledigt wird, wenn der Häftling schon längst wieder in Freiheit ist.

Alle paar Monate gibt es einen sogenannten Haftprüfungstermin. Reine Formalie, der Staatsanwalt behauptet, dass die Haftgründe, bspw. Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr, weiter andauern, et voilà.

Ohnmächtig der Staatsgewalt ausgeliefert

Dazu kann der Staatsanwalt beliebige Auskunftspersonen vorladen und befragen, auch unter Eid. Er kann zudem Vermögenswerte während seinen Ermittlungen einfrieren. Was Angeschuldigte dabei behindert, sich den besten – und daher nicht billigen – Verteidiger zu nehmen. Und natürlich die Bereitschaft erhöhen soll, einem Deal zuzustimmen.

Dann kann der Staatsanwalt, wenn er ein öffentliches Interesse behauptet, die Medien über seine Strafuntersuchung informieren. Und natürlich ein öffentliches Triumphgeheul ausstossen, wenn er endlich eine Anklageschrift gebastelt hat und beim Gericht eingereicht. Hier kann er nochmal die Delikte aufzählen und seine Forderung nach Höhe der Bestrafung kundtun.

Willkür, Amtsmissbrauch, Nötigung, Unverhältnismässigkeit? Keine Chance. Gegen jedes Urteil, so ist der Rechtsstaat, kann Einsprache erhoben werden. Immer. Nur während des Waltens des Staatsanwalts gibt es keine Rechtsmittel für die Beschuldigten. Sie müssen wie mittelalterliche Sünder darauf warten, bis der Inquisitor sein Werk für beendet hält.

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