Marc Jean-Richard-dit-Bressel ist zuständig für Wirtschaftsfälle. Aber ist er auch kompetent?
Jeder Staatsanwalt arbeitet die grösste Zeit seines Lebens unbemerkt von der Öffentlichkeit. Spielen sich die vermuteten Straftaten im Bereich der Wirtschaft oder gar der Finanzen ab, dann wird’s sowieso schwierig.
Nur selten kann er sich in der Sonne der öffentlichen Aufmerksamkeit baden, und wie jeder Mensch möchte er auch mal ein Erfolgserlebnis haben. Wer ist dieser Mann, der seit mehr als drei Jahren die Affäre Vincenz zu seiner Hauptsache gemacht hat?
Aus der Selbstbeschreibung eines Staatsanwalts für Wirtschaftsverbrechen: «Marc Jean-Richard ist von Beruf Musiker, und in seiner Freizeit beschäftigt er sich gerne mit der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.»
Ist das lustig? Dazu hat er noch ein Foto von sich gestellt, «wie er auf dem Jakobsweg einen Esel streichelt». Musiker, Jakobsweg-Pilger, Eselstreichler.
Der singende Staatsanwalt
Dazu steckt noch ein religiöser Künstler in diesem Staatsanwalt. So bewarb er sich 2010 mit einem eigenen Lied, selbst am Klavier vorgetragen, beim Schweizer Fernsehen für die Teilnahme am European Song Contest. «Der singende Staatsanwalt», so mokierte sich damals die «NZZamSonntag». Daraus wurde dann nichts, und ähnlich verhält es sich mit seinem Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität.
Er ermittelte schon gegen den Banker Thomas Matter – bis er wegen Befangenheit abberufen wurde. Seiner Klage gegen den Financier Martin Ebel wurde vom Gericht beschieden, dass hier nicht einmal Anklage hätte erhoben werden dürfen. Die Höchststrafe für einen Staatsanwalt.
Aber neben all diesen Tätigkeiten, Pilger, Sänger, bekennender Christ, dazu auch die Einrichtung eines «Klanghauses», findet er noch Zeit für Publikationen. So schreibt er 2011: «Rückt die Beweisbarkeit einer Anklagehypothese in unbestimmte Ferne, ist sie aufzugeben. Vielleicht lässt sich stattdessen eine neue Anklagehypothese finden, die möglicherweise weniger schwer wiegt, die aber leichter beweisbar ist und voraussichtlich schneller und sicherer zu einem Schuldspruch führt, der der Problematik immer noch angemessen erscheint.»
Wenn der Anfangsverdacht scheitert
An diesen eigenen Ratschlag muss er im Sommer 2018 gedacht haben. Die beiden Hauptbeschuldigten waren gerade nach einer über dreimonatigen Untersuchungs-Haft wieder freigelassen worden. Weder dieses Mittel, noch Hausdurchsuchungen, noch strenge Einvernahmen hatten das gewünschte Ziel erreicht.
Der Anfangsverdacht von ungetreuer Geschäftsbesorgung liess sich einfach nicht erhärten. Das wäre eigentlich der Moment, in dem der Staatsanwalt die Untersuchung einstellt. Aber bei dieser Publizität, bei diesen Angeschuldigten, nach dieser U-Haft: unmöglich. Das hätte doch bedeutet, dass der Staatsanwalt zum dritten und – angesichts seines Alters – wohl zum letzten Mal eine gewaltige Klatsche eingefangen hätte.
Das hätte zwar nichts an seiner Position und Pension geändert, aber peinlich wär’s schon gewesen. Also beschloss Jean-Richard, eine neue Anklagehypothese zu finden. Wenn ungetreue Geschäftsbesorgung nicht geht, Spesenbetrug geht immer.
Parallel dazu wurden den Medien saftige Spesenabrechnungen von Vincenz zugespielt, gemunkelt, dass er auch in Striplokalen Spesen gemacht und diese Raiffeisen eingereicht habe. Pfuibäh.
Ein hässliches Problem musste noch gelöst werden
Allerdings gab es noch das hässliche Problem, dass selbst hässlicher Spesenbetrug nicht für diese öffentliche Hinrichtung und mehrmonatige U-Haft ausreicht. Darüber grübelte der Staatsanwalt dann über zwei Jahre, während denen er immer mal wieder verlauten liess, dass seine Untersuchung nun wirklich demnächst abgeschlossen sei.
Aber das hatte er auch schon im Februar 2018 behauptet, noch bevor er den Blitz niederfahren liess und Pierin Vincenz samt seinem Kompagnon morgens früh von der Polizei verhaften und nach Zürich transportieren liess.
Aber was geht einen Staatsanwalt sein dummes Geschwätz von vorgestern an. Also brütete er und brütete und brütete. Um schliesslich zum vermeintlich rettenden Einfall zu kommen. Wenn Spesenbetrug schon nicht genügend hergibt, dann machen wir doch einfach gewerbsmässigen Betrug, Urkundenfälschung und Veruntreuung draus.
Gnadenlos gleich 6 Jahre Knast gefordert
Fall zwar nicht, aber Problem gelöst. Damit konnte der Staatsanwalt triumphieren: Es hat halt so lange gedauert, weil alles noch viel schlimmer war als anfänglich vermutet. Statt ungetreuer Geschäftsbesorgung (bis zu 5 Jahre Gefängnis) reden wir nun von gewerbsmässigem Betrug mit weiteren Straftaten (bis zu 10 Jahre Gefängnis). Also fordert der Staatsanwalt gleich 6 Jahre Knast.
Dass die voluminöse Anklageschrift am Tag der Einreichung gleich den Weg an die Medien findet, die sich sofort auf die detaillierten Spesen im Rotlichtmilieu stürzen, kann natürlich auch nicht schaden.
Ob Staatsanwalt gnadenlos allerdings diesmal zur Anklageerhebung, gar zur Verurteilung kommt, ist zwar sein sehnlichster Wunsch, aber sehr zweifelhaft.
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