Rechtsstaatlichkeit. Unschuldsvermutung. Wem nützt es?
Das sind die drei Säulen eines nach rechtsstaatlichen Regeln ablaufenden Prozesses. Es gibt einen Anfangsverdacht. Auf den kommt die Staatsanwaltschaft selbst. Oder sie nimmt ihn aus einer Strafnzeige. Die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob dieser Anfangsverdacht ausreichend ist, um eine Untersuchung zu beginnen. Während der Ermittlungen ist die Staatsanwaltschaft mit grosser Machtfülle ausgestattet. Deshalb muss sie sowohl belastende wie entlastende Indizien sammeln.
So müsste es sein, so war es im Fall Vincenz nie.
Die Strafanzeige, die die Affäre ins Rollen brachte, erfolgte hinter dem Rücken der Hauptbeschuldigten. Sie wurde am gleichen Tag eingereicht, als Vincenz zum ersten Mal einen Termin für eine Stellungnahme bekam.
Der Anfangsverdacht lautete auf «ungetreue Geschäftsbesorgung». Schnell stellte sich heraus, dass der nicht durch Ermittlungen gestützt werden konnte. Statt Einstellung des Verfahrens Flucht nach vorne: Verhaftungen, skandalös lange U-Haft, Hausdurchsuchungen, Befragungen, Einvernahmen.
Daraus entstand dann der Wechsel auf Spesenbetrug. Aber weil das nicht für über 100 Tage U-Haft ausreichend wäre, ermittelte der Staatsanwalt fast drei Jahre. Um dann wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung, Veruntreuung und Bestechung anzuklagen.
Cui bono, wem nutzt das?
Für Vincenz und seinen Kompagnon sollte die Unschuldsvermutung gelten. Sie ist zum schlechten Witz geworden. Untersuchungsergebnisse, die Anklageschrift sollten strikt vertraulich sein, um eine Vorverurteilung zu vermeiden. Ein zweiter, noch schlechterer Witz.
Wer hat ein Interesse, wem nutzt es, wenn es eine Vorverurteilung gibt, die Unschuldsvermutung ausser Kraft gesetzt wird, bislang nur vom Staatsanwalt behauptete, keinesfalls gerichtlich beurteilte Fälle von Spesenbetrug in der Öffentlichkeit breitgewalzt werden?
Das schadet einer Partei in einem Zivilverfahren. Nämlich Vincenz und seinem Kompagnon.
Das nutzt der anderen Partei. Nämlich Raiffeisen und anderen.
Zufall aber auch: Raiffeisen ist sogenannter Privatkläger im Strafverfahren. Wichtigster Vorteil: Als Beteiligte bekommt Raiffeisen kontinuierlich Einblick in alles. Ermittlungen, am Schluss die Anklageschrift. Natürlich unter der Auflage, das strikt vertraulich zu behandeln, einer Geheimhaltungsverfügung zu gehorchen.
Beim Spesenbetrug geht es um rund 250’000 Franken. Beim Zivilverfahren geht es um über 100 Millionen Franken …
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